19 sind nicht genug
Der Geheimagent ihrer Majestät,
ist zurück. Sein 19. Abenteuer insgesamt. Und zum 3. Mal verkörpert
vom Iren Pierce Brosnan. Eines steht dabei im Vorfeld schon fest: Auch Die Welt
ist nicht genug (GB 1999 - dt. Kinostart 9.12.99) wird ein Erfolg, zu sehr ist
Bond eine feste Institution geworden. Der wahre Fan geht allein deswegen ins
Kino, um die vertrauten Rituale der längsten Filmserie des Kinos wiederzuerkennen.
Dazu gehören u. a. der berühmte Teaser (eine vor dem eigentlichen
Vorspann gezeigte Sequenz), die vertraute Titelmelodie von John Barry, das Bond-Girl,
der Bond-Bösewicht und natürlich die markanten Sprüche des Helden
(Gerührt, nicht geschüttelt).
Dem britischen Agenten ist es gelungen, sich über vier Jahrzehnte zu halten
und dabei überhaupt nicht zu altern. Er ist scheinbar zeitlos, weil er
sich dem jeweiligen Zeitgeist anpasst. Anfangs noch ein kalter Krieger, dessen
Gegner meistens irgendwelche größenwahnsinnige Weltzerstörer
(Blofeld) jenseits allen Realitätsbewusstseins waren, entwickelt er sich
im Lauf der Jahre zu einem immer bodenständigeren Agenten, der nun Drogendealer
oder Medienmogule bekämpft.
Der Höhepunkt seiner Karriere liegt allerdings hinter ihm. Die sogenannten
Bond-Klassiker wurden in den 60er und 70er Jahren mit Sean Connery und Roger
Moore als 007 gedreht. Bond-Widersacher mit der charismatischen Ausstrahlung
eines Auric Goldfinger (Gert Fröbe) oder Karl Stromberg (Curd Jürgens)
kommen in den jüngsten Werken nicht mehr vor. Die neuen Bond-Filme profitieren
von der Berühmtheit ihrer Vorgänger. Werbeagenturen freuen sich, haben
sie doch eine ideale Werbefläche gefunden. Bond schweißt mit einem
Erikson-Handy eine Tür auf und verfolgt mit seinem BMW die Mercedes-fahrenden
Bösewichter. Auch die Musik-Branche verdient mit. Sie erkannte schon früh
das Hit-Potential, der Bond-Titelsongs, die Garant für gute Chartplazierungen
sind.
Der Mittelpunkt bleibt dennoch nach wie vor die Figur des James Bond. Er ist
es, der ein sehr breites Publikum anlockt, oder wie der ehemalige Bond-Produzent
Harry Saltzmann es formulierte: Die Männer wollen so sein wie er,
und die Frauen wollen ihm möglichst nah sein. Die Wirkung Bonds auf
Frauen ist Teil seiner Konzeption und beruht vor allem auf seiner herben männlichen
Ausstrahlung, die schon immer oberstes Auswahlkriterium bei der Besetzung der
Rolle war. Daran ändern auch Bonds heutige Schwierigkeiten mit der fortgeschrittenen
Emanzipation seiner weiblichen Umgebung nichts. Sein Chef ist eine Frau, seine
Gespielinnen agieren zunehmend selbstbewusster und immer mehr ist Bond auf ihre
Hilfe angewiesen. Natürlich besticht Bond nicht nur durch Äußerlichkeiten.
Losgelöst von den gesellschaftlichen Konventionen kann er stellvertretend
für den Kinozuschauer - den männlichen und den weiblichen - seine
Triebe ungestraft ausleben. Das wundert kaum, denn Bond arbeitet in keinem klassischen
Ausbildungsberuf. Seine Aufträge bedingen immer die Zerstörung bzw.
Liquidation des Gegenspielers. Mit Sekundärtugenden allein (sein stets
höfliches Benehmen) kommt 007 nicht weit. Hier sind vielmehr die Talente
eines begnadeten Killers mit Upperclass-Sozialisierung gefragt, dessen Taten
sozial legitimiert werden (berechtigt durch die Lizenz zum Töten).
Niemanden stört dieser Umstand, sind Bonds Opfer schließlich Schurken,
die ihr Schicksal allesamt verdient haben und deren Tötung nach ästhetischen
Gesichtspunkten inszeniert wird. Denn keiner killt so schön wie Bond! Der
Lohn dieser Arbeit ist ein Leben in Luxus, unerreichbar für den Großteil
des Kinopublikums.
Dabei blieb Bond bisher jedoch eines verwehrt: das traute Glück zu zweit.
Nur einmal heiratete 007 (Im Geheimdienst Ihrer Majestät, GB 1969). Letzlich
kann dieser Film als Versuch der Produzenten angesehen werden, den Charakter
des Agenten menschlicher zu zeichnen. Für die Liebe zu seiner Frau verzichtete
Bond hier auf seine Lizenz zum Töten. Dieses Happy-End durfte es selbstverständlich
nicht geben, hätte es doch zwangsläufig den Schlusspunkt der Serie
markiert.
Ein paar Szenen später war 007 dann schon Witwer und das Ideal der Ehe,
die eigentlich ewig währen soll, dem Gesetz der Bond-Serie geopfert, denn
um als Projektionsfläche für die Sehnsüchte der Zuschauer tauglich
zu bleiben, muss die Karriere des Agenten als Solo-Karriere fortbestehen. Nur
noch einmal handelte 007 unüblich und eigenwillig. In Lizenz zum Töten
(GB 1989) trennte er sich vom Secret Service, um seinen Freund Felix Leiter
im Alleingang zu rächen. Der Film lief nicht besonders erfolgreich an der
Kinokasse. Bond funktioniert nur als Super-Agent, der ständig Schauplätze,
Partner und Gegner wechselt, als Mensch interessiert er (leider) nicht. Und
so kehrten die Bond-Produzenten nach diesem Misserfolg zum bewährten Konzept
zurück. Mit Pierce Brosnan fiel die Wahl auf einen Darsteller, dessen Erscheinung,
gemessen an seinen Vorgängern, infolge des aggressiven Marketings wesentlich
glatter ausfällt. Alle Ecken und Kanten sind abgeschliffen, der Bond der
90er Jahre hat sich endgültig zum Dressman gewandelt. Die neuen Abenteuer
von 007 präsentieren sich als reine Action-Filme, vom Agentenfilm der ersten
beiden Bond-Jahrzehnte bleibt wenig übrig. Die Erfolge der Brosnan-Bonds
(beide spielten weltweit jeweils 350 Millionen Dollar ein) bestätigen jedoch
diesen Wandel.
Auch mit Die Welt ist nicht genug gehen die Bond-Produzenten auf Nummer sicher.
Noch nie konnte ein Bond-Film mit einem solchen Star-Ensemble aufwarten: Robert
Carlyle (Trainspotting) mimt den Bösewicht, Denise Richards (Starship Troopers)
und Sophie Marceau (La Boom - Die Fete) sind die Bond-Girls, John Cleese (Ein
Fisch namens Wanda) assistiert Q und die mittlerweile Oscar-prämierte Judi
Dench (für Shakespeare in Love) erteilt als M 007 einen weiteren Auftrag.
Q-Darsteller Desmond Llewelyn verabschiedet sich von der Bond-Serie, er zieht
sich aus Altersgründen zurück. Mit Llewelyn geht der letzte Darsteller,
der zum Ur-Bond-Team gehörte und in fast allen 007-Filmen mitwirkte. Pierce
Brosnan wird wahrscheinlich noch ein weiteres Mal als James Bond zu sehen sein
und danach aufhören. Ein Darstellerwechsel konnte den Bond-Erfolg bisher
kaum beeinträchtigen. 007 hat den Sprung ins nächste Jahrtausend geschafft.
Viel Neues wird der Zuschauer in Zukunft nicht mehr über den Agenten erfahren.
Eine wirklich andere Perspektive der Geschichte würde es nur bei einem
finalen Bond-Film geben, der einen Schlussstrich unter die Bond-Serie setzten
darf. Vielleicht würde 007 dann das erste Mal von seinem Gegner besiegt
werden und in einem dramatischen Showdown sterben. Aber keine Sorge, das hat
noch ein bisschen Zeit.
James Bond - The World is not enough (USA 1999) Regie: Michael Apdet; Kamera: Adrian Biddle; Musik: David Arnold; Schnitt: Jim Clark Darst.: Pierce Brosnan, Sophie Marceau, Denise Richards, Robert Carlyle uva. Verleih: UIP, Länge: 128 Min.
[RH] & [Dirk Kase]
© by frame 25, 1998 - 2001