Dorn im Rosenbett

Ein süßes all-american-blond Mädchen räkelt sich in einem Meer von roten Rosenblättern - suggestives Rot, aufregendes, heißes Rot, ein Rot, dass an Herz und Blut erinnert und kombiniert mit weißer (unbefleckter) Haut Reinheit und Sünde schmerzhaft kontrastiert. Filmplakat und eine der Schlüsselszenen des Filmes American Beauty ziehen mit einer deutlichen Ikonografie in den rauschenden Bann von Ambivalenzen, welche die Frustrationen hinter dem Amerikanischen Traum durchscheinen lassen. Dementsprechend sind Emotionen extrem, verändern sich subtil, graduell und unerwartet in einem Kaleidoskop, in dem Drehbuchautor Allan Ball ganz alltäglichen Wahnsinn in Szene setzt. "Das ist meine Wohngegend, das ist meine Straße, das ist mein Leben", Lester Burnhams (Kevin Spacey) neutrale Stimme visuelle unterlegt von einer schönen, glänzenden (roten) Haustür ... "Ich bin 42 Jahre alt. In weniger als einem Jahr werde ich tot sein. Natürlich weiß ich das jetzt noch nicht. In gewisser Weise bin ich schon tot." Der erste Schock zum Bild eines harmlosen, glatten Vorstadtentrées. Ein Mann erzählt die Geschichte seines letzten (knappen) Lebensjahres. Sein Leben scheint normal: der Höhepunkt des Tages das morgendliche Masturbieren unter der Dusche, Ehefrau Carolyn (Annette Bening) und Tochter Jane (Thora Bich) halten ihn für einen Loser, er sieht sich selbst als Niemand, an den sich keiner erinnert. Die wohlsortierten Rosengestecke auf dem Tisch dekoriert zum allabendlichen Familiendinner, umrahmt von Fahrstuhlmusik, leuchten und geben dem exakt inszenierten Happening einen würdigen Rahmen. Der Schein erhält Kratzer, das tägliche Einerlei gerät für Lester aus den Fugen, als er durch ein kathartisches Erlebnis anlässlich eines Cheerleader-Auftritts Janes Freundin Angela (Mena Suvari) trifft und sie in ein Geflecht von Midlife-Phantasien und erotischen Visionen einspinnt. Die Katalyse wirkt - Lester befreit sich von Job und Frau, baut Muskeln auf, raucht Haschisch, taucht in ein neues Lebensgefühl ein und träumt ... von roten Rosen und dem Besitz eines Engels. Carolyn liebt Rosen und züchtet sie im Burnham'schen Garten - "Sehen Sie, wie die Schere zu den Garten-Clogs passen?", kommentiert Lester, "Das ist kein Zufall." Sie schneidet die Rosen zur Dinner-Dekoration. Neugier weckt dieser Film für das Diffizile, für das, was übrig bleibt, wenn die glitzernde Fassade des großen amerikanischen Traumes abblättert. Der Blick auf die Dinge wird geschult, dafür sorgt zum einen die Stimme Lesters. Zum anderen werden Sequenzen vom Bild der Digital-Kamera gerahmt, die das zweite Auge des Nachbarn Ricky Fitts (Wes Bentley) ist. Er kommuniziert mit der obskuren Welt, die ihn in seiner Familie und der Nachbarschaft umgibt, nur über Schnittstelle und Vervielfältigung, mit derzeitigem Fokus auf Jane. Er zeigt ihr ein Spiel von Blatt und Wind, dessen Schönheit kaum zu ertragen ist ... Träume platzen. Rebellion gegen Systeme haben Grenzen. Lester entdeckt, dass Nymphomaninnen auch unberührt sein können. Ricky wird von seinem berenteten Militär-Vater (Chris Cooper) zusammengeschlagen. Jane will eine ganz normale Familie. Der Eklat findet sich im angekündigten Tod Lesters, mit einem friedlichen, schönen Lächeln im feuchten, leuchtenden Blutrot. Dualität bis zum Abspann. Die Rose und der Dorn. Die Rose und die Charaktere des Films balancieren, energetisch, leicht und warm: locken charmant mit einem Lächeln, mit der Poesie von Bildern. Erschrecken mit einem Stich, bei Übertretung definierter Konventionen, beim Ausbruch aus dem, was scheint und dessen Schein mühevoll erhalten werden soll, beim Aufprall an natürliche Limits für individuelle Veränderung. Carolyn steht lasziv in der Tür zum Wohnzimmer, in dem Lester Bier trinkend neu gewonnene Freizeit genießt. Ein kurzer Moment aufflammende Intimität zwischen den Noch-Ehepartnern fällt plötzlich der Pragmatik zum Opfer. Der Blick auf den Alltag zeigt, dass Schauspiel täglich Erlebbares, Normales ist. Am Ende stand der Anfang: der Blick aus der Vogelperspektive auf den kleinen Stadtvorort, ein angekündigter Tod endet mit dem tatsächlichen. Zyklisch, organisch, wie das Knospen, Blühen und Welken von Rosen.

American Beatuy
 (US 99)
 Regie: Sam Mendes
 Kamera: Conrad L. Hall.
 Darsteller: Kevin Spacey, Anett Bening, Thora Birch u. a.
 122 Min. Verleih: UIP

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